Der Kommissar und der Papierblumenmörder by Herbert Reinecker

Der Kommissar und der Papierblumenmörder by Herbert Reinecker

Autor:Herbert Reinecker [Reinecker, Herbert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105608722
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-21T16:00:00+00:00


Ratten der Großstadt

Frühmorgens an der Großmarkthalle. Diesige Luft, Nebel. Die Gleisanlagen, die Hallen verschwammen im Morgendunst.

Über dem Pflaster der nahen Straße dröhnte der Berufsverkehr. Eine Reihe von niedrigen Häusern. Ein gelbes darunter, alt, mit Fensterstöcken, an denen die Farbe schon abblätterte.

Im Erdgeschoß eine Kneipe.

Die Tür stand einen Spalt offen, bewegte sich im Luftzug hin und her. Im ersten Stock trat ein junges Mädchen auf die Treppe, die nach unten führte. Sie rief hinunter: »Vater?«

Niemand meldete sich, und Hanna Heinichen, die siebzehnjährige Tochter des Wirtes, ging die Treppe hinunter und öffnete die Tür zur Gaststätte.

»Frühstücken, Vater«, sagte sie noch einmal.

Aber immer noch antwortete niemand, und erst als sich Hanna umdrehte, sah sie ihren Vater.

Er lag halb hinter der Theke auf dem Boden. Die Registrierkasse war aufgezogen, eine Flasche lag zerbrochen auf dem Boden.

Es roch nach Schnaps, nach Bier, nach Blut.

Der Wirt Theo Heinichen war tot, mit einer Flasche erschlagen.

Hanna rannte die Treppe hinauf.

»Vater ist tot«, rief sie, und aus der Küche kam Frau Matusek, eine ältere Frau, die seit etwa einem Jahr für Theo Heinichen den Haushalt führte. Frau Matusek öffnete den Mund, wurde aschfahl, stand eine Weile wie angewurzelt.

Dann rief sie die Polizei.

Der Kommissar kam etwas später. Heines und Harry hatten die Ermittlungen schon aufgenommen.

Es wurde fotografiert, es wurden Spuren gesichert. Der Kommissar griff so wenig wie möglich in die Arbeit ein, sondern setzte sich auf einen Stuhl, sah sich um und gewann einen Eindruck von der Kneipe. Keinen besonderen. Der Raum war kahl wie ein Wartesaal. Niemand schien hier die geringste Verpflichtung zu spüren, den Raum angenehm zu machen. Billige Drucke von Bierreklamen waren der einzige Schmuck.

Heines brachte Frau Matusek zum Kommissar.

»Das ist Frau Matusek«, sagte Heines, »sie hat keinen Verdacht, kann nichts sagen. Sie meint, da kämen viele Leute in Frage.«

»Warum?« fragte der Kommissar.

»Wissen Sie«, sagte Frau Matusek verdrossen, »das hier ist eine Kneipe. Und die Großmarkthalle ist in der Nähe. Und alle die Kerle, die sich da ’rumtreiben, sitzen tagsüber hier und saufen sich voll.«

Frau Matusek schien unglücklich zu sein, ärgerlich. Sie beantwortete alle Fragen ohne jede Höflichkeit. Theo Heinichen, der Wirt, schien ihr gleichgültig zu sein. Nein, sie könne über ihn nichts sagen. Sie habe den Haushalt geführt, die Wirtschaft, sie habe auch geholfen beim Bedienen, beim Bierabladen. »Ich habe alles gemacht«, sagte sie, »alles was vorkam. Ohne mich wäre er verloren gewesen.«

Der Kommissar wollte wissen, ob sie auch private Beziehungen zu Theo Heinichen gehabt habe. Frau Matusek sah den Kommissar verdrossen an. »Du liebe Zeit«, sagte sie, »Heinichen konnte von mir haben, was er wollte, wenn er scharf drauf gewesen wäre. Aber das war er nicht. Ich hätte ihn gern geheiratet, gebe ich zu. Es wär ’ne Ordnung gewesen, und sie wäre gut gewesen für ihn und für mich auch. Nun ist es wieder aus …«, murmelte sie düster.

Der Kommissar ging hinauf in das obere Stockwerk. Harry verhörte gerade Hanna, die Tochter.

Hanna war siebzehn, ohne die strahlende Jugendschönheit einer Siebzehnjährigen zu haben. Sie wirkte etwas pummelig, war blaß, vollgesichtig. Ihre Bewegungen waren träge, ihre Blicke langsam, und sie dachte auch langsam.



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